Pleite als Metamorphose?

Die neue Oya-Ausgabe 41 hat mich voll erwischt, als ich sie auf dem Klo anfing zu lesen. Zuerst fiel mir die Parallele auf, dass sich nicht nur die Oya in einer Metamorphose befindet, sondern auch die Menschheit als Ganzes. Die wesentlichen Überzeugungen, Konventionen und Systeme landen gerade alle auf dem Komposthaufen der Geschichte. Dass der Mainstream derweil um so verbissener an ihnen festhält, verdeutlicht nur noch, dass sie nicht mehr stimmen.

Beim Lesen fiel mir auch wieder Natalies Merchants Lied Giving Up Everything ein, siehe meinen Beitrag zum Sterben lassen.

Im Kapitel über die Ahnenforschung erwähnt Matthias Fersterer die Idee einer “Oya-Ausgabe zu lebensfördernden Kultur­impulsen in der Vergangenheit”. Da sollten auf jeden Fall die Mosuo in China drin vorkommen, die Bonobos, die Pariser Kommune, die AnarchistInnen in Katalonien und auch aus heutiger Zeit die KurdInnen in Rojava.

Am Ende der Forschungsreise in die Wirklichkeit ökosozialer ­Unternehmen schreiben sie in der Oya

Es scheint also weniger um chronolo­gische Verlangsamung zu gehen, als darum, einen Rhythmus zu finden, in dem die Dinge entstehen dürfen, wenn die Zeit dafür reif ist. Gerade wenn etwas sehr dringend wird, scheint größte innere Ruhe angebracht. Diese Kunst zu kultivieren, ist ein Element, das in unserer »Kultur« fehlt, und wir erfahren uns darin erst als Novizen. Ohne den inneren Freiraum dazu und ein gewisses Maß an unverplanter Zeit werden wir auch in Zukunft nicht davon berichten können, wie es womöglich anzu­stellen sei, in dieser verrückten Welt die Fundamente für ein wirklich, wirklich gutes ­Leben zu legen. Die Frage bleibt: Wie bekommen wir das hin, ohne pleitezugehen?

Mir kam dabei spontan der Gedanke, vielleicht ist pleite gehen gerade genau das Richtige. Es würde offen anerkennen, was eh schon der Fall ist. Die Menschheit als Ganzes ist längst pleite. Finanziell schon mal sowieso, aber auch in vielerlei anderer Hinsicht: was den Boden angeht, die Wälder, Energie, Sand, … Lest am besten den Living Planet Report 2016, das empfiehlt Johannes Heimrath in seinen Gedanken für eine wärmere Welt.

Dass wir diese Pleite immer noch nicht erklärt haben, zeigt das Ausmaß unserer gesellschaftlichen und globalen Dissoziation. Lasst uns Tod und Apokalypse als Geisterrollen endlich wieder einen Platz in unserer Mitte geben, damit sie nicht länger herumspuken müssen. Sie gehören schliesslich auch dazu.

Eine Pleite, Insolvenz, Bankrott, Konkurs, ist schliesslich nicht das Ende der Welt, sondern nur das Eingeständnis, dass es nicht so weiter geht wie bisher. In einem geordneten Insolvenzverfahren gilt es nun, genau herauszuarbeiten, was an dem insolventen Unternehmen zu erhalten ist und was aufgelöst wird. Genau an diesem Punkt stehen wir als Menschheit auch gerade. Wir haben viel Mist gebaut, mit dem wir aufhören sollten, gleichzeitig gibt es ganz viel Erhaltenswertes.