Grundeinkommen, Erpressbarkeit und Freiheit

Am Samstag war ich ja auf der Demo fürs Bedingungslose Grundeinkommen & setze mich auch anderweitig dafür ein. Vor dem Hintergrund meines Beitrags über Bedürfnisse und frei sein stellt sich allerdings die Frage, wo das BGE da reinpasst.

Einerseits ist das Grundeinkommen gerade ein wesentlicher Schritt zu mehr gesellschaftlicher Freiheit, weil jedeR damit zu allen Angeboten von “Arbeitgebern” auch Nein sagen kann, ohne um die eigene Existenz fürchten zu müssen. Das ist das, was u.a. Wolf Lotter in seinem Artikel Der Lohn der Angst schreibt. Erst mit BGE gibt es überhaupt einen wirklich freien Arbeitsmarkt, auf dem beide Seiten auf gleicher Augenhöhe verhandeln können - das Ende der derzeitigen Kultur der Angst.

Aber ist das wirklich so? Brauchen wir dafür wirklich ein Grundeinkommen, oder schaffen wir ganz im Gegenteil damit nicht eine neue und vielleicht noch tiefere Abhängigkeit - nämlich die von eben jenem Grundeinkommen? Denn auch ein Rechtsanspruch garantiert mitnichten, dass ich das Geld auch tatsächlich bekomme. In diesem Leben, auf dieser Welt gibt es nur eine Garantie: dass wir alle sterben werden.

Dass die Menschen mit Grundeinkommen nicht mehr erpressbar seien, setzt voraus dass dessen Auszahlung ohne jedes Machtgefälle abläuft. Ich kann mir zur Zeit keinen Modus vorstellen, mit dem das so wäre, und halte es auch für unwahrscheinlich.

Außerdem liegt es am Ende ganz am einzelnen Menschen, ob er erpressbar ist oder nicht. Und an dieser Stelle kommt glatt wieder Käptn Peng ins Spiel: Gott sind wir selbst, Bewusstsein, das wandert von Form zu Form, um zu wachsen und zu werden. Und die Angst jeder Form ist das sogenannte Sterben, doch Sterben ist Werden und Leiden ist Lernen.

Im Bewusstsein des Todes, wie Don Juan Matus sagt, unserem einzigen weisen Ratgeber, sind wir nicht mehr erpressbar. Was sollte schon geschehen, das uns noch schrecken kann?

Und damit ist das Bedingungslose Grundeinkommen der materielle Widerhall dieser inneren Freiheit. Es wäre schlicht widersinnig etwas anderes zu tun als das was Otto Scharmer so schön formuliert:

Die grundlegende Herausforderung an uns lautet: Sind wir bereit zu akzeptieren, dass wir nicht getrennt voneinander sind, sondern ein ökonomisch und sozial stark voneinander abhängiges Feld von Beziehungen und Gemeinschaften bilden? Und wenn wir zustimmen, dass diese vielschichtige Verbindung existiert: Sind wir bereit, einander die Hände zu reichen? Wenn die Antwort darauf „ja“ lautet, dann wäre es die höchstmögliche ökonomische Intervention, einfach ein Grundrecht auf Einkommen zu schaffen, das, kombiniert mit freiem Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung, ein vielschichtiges Spielfeld schaffen würde, dass es jedem ermöglichte, seinem Streben und seinen Träumen nachzugehen.

Und für die ganz radikalen Demonetarisierer, die zu Recht anmerken, dass ein Grund_einkommen_ sich ja immer noch innerhalb einer geldbasierten Wirtschaft bewegt, sei gesagt:

Das Grundeinkommen ist ein großer Schritt hin zum geldlosen Wirtschaften, eben weil es bedingungslos an alle gezahlt wird. Dadurch hebt es die Kopplung von Leistung und Gegenleistung, das Tauschprinzip, auf, weil eben gerade keine Gegenleistung erwartet wird.

Und das Grundeinkommen ist ja nicht das Ende der Fahnenstange oder gar der Geschichte. Es ist lediglich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur neuen Kultur. Daneben, davor & dahinter gibt es noch eine ganze Menge anderer Baustellen.