Es gibt kein bedingungsloses Grundeinkommen

Beim Foucault-Lesen (siehe auch Gouvernementalität in der Corona-Pandemie) wurde mir klar, dass ich hier im Blog, was das “Bedingungslose Grundeinkommen” angeht, echt lange um den heißen Brei herum geschrieben habe.

Foucault bringt das Dilemma des Liberalismus so auf den Punkt:

Die neue Regierungskunst stellt sich also als Manager der Freiheit dar, und zwar nicht im Sinne des Imperativs: “Sei frei”, was den unmittelbaren Widerspruch zur Folge hätte, die dieser Imperativ in sich trägt. Es ist nicht das “Sei frei”, was der Liberalismus formuliert, sondern einfach Folgendes: “Ich werde dir die Möglichkeit zur Freiheit bereitstellen. Ich werde es so einrichten, dass du frei bist, frei zu sein.” Wenn dieser Liberalismus nicht sosehr der Imperativ der Freiheit, sondern die Einrichtung und Organisation der Bedingungen ist, unter denen man frei sein kann, dann wird im selben Zug im Zentrum dieser liberalen Praxis ein problematisches, ständig wechselndes Verhältnis zwischen der Produktion der Freiheit und dem hergestellt, was, indem es sie herstellt, sie auch zu begrenzen und zu zerstören droht. […] Mit einer Hand muss die Freiheit hergestellt werden, aber dieselbe Handlung impliziert, dass man mit der anderen Einschränkungen, Zwänge, auf Drohungen gestützte Verpflichtungen usw. einführt.

Das ist genau das Dilemma, welches auch das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) mit sich bringt. Das Netzwerk Grundeinkommen definiert ein BGE so:

  • Existenz sichernd und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichend,
  • auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht,
  • ohne Bedürftigkeitsprüfung
  • ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen

Wir “zivilisierten” Menschen wachsen so selbstverständlich in Staaten auf, dass wir die Existenz eines solchen Staates kaum wahrnehmen, so wie ein Fisch im Meer das Meer kaum wahrnimmt und daher einfach als gegeben voraussetzt. Dadurch übersehen wir in dieser Definition leicht den Knackpunkt ein individueller Rechtsanspruch. Denn wer kann diesen Rechtsanspruch garantieren? Natürlich nur der Staat (oder eine äquivalente gesellschaftliche Einrichtung). Das ist also in jedem Fall eine Bedingung, damit das Ganze funktionieren kann, und – schwups – ist es eben nicht mehr bedingungslos.

Kommen wir da vielleicht durch das in meinem Blog schon mehrfach erwähnte Freiwillige Bedingungslose Grundeinkommen (FBGE) raus? Nein, denn auch dabei ist das Wort “bedingungslos” fehl am Platz. Wie funktioniert so ein FBGE? Eine Gruppe von Menschen tut sich zusammen und schmeisst freiwillig Geld in einen gemeinsamen Topf, aus dem dann das FBGE ausgezahlt wird. Die Bedingung dafür ist natürlich, dass alle Beteiligten auch genügend Geld haben (und weiterhin bereit sind!), um den Topf damit immer wieder zu füllen.

Halten wir also fest: Es gibt kein bedingungsloses Grundeinkommen. Grundeinkommen ist möglich, aber immer unter irgendwelchen Bedingungen.

Jetzt ist es raus. Übrigens ist auch das von mir immer wieder als Alternative gepriesene Gemeinschaffen eine Sache von Bedingungen, denn dabei geht es ja darum, dass eine Gruppe von Menschen sich zusammentut, um einen Ort oder irgendwelche Sachen zu pflegnutzen, und diese Gruppe von Menschen vereinbart dafür Regeln untereinander, an die sich dann alle halten sollen. Auch da haben wir also immer irgendwelche Bedingungen.

Ich schließe mit dem hier im Blog schon mal zitierten Zen-Spruch

Alles hängt von Bedingungen ab, und keine Selbstheit wohnt den Dingen inne.

So ist das nun mal in dieser Welt der Erscheinungen. Ohne Bedingungen ginge hier schliesslich alles drunter & drüber. ;-)

Nachtrag vom 17.02.2021: Meine Foucault-Begeisterung hat einen Dämpfer bekommen.