Demokratie in Europa: Man kann morgen auch Varoufakis wählen

Danke Fefe, dass du mich einen Tag vor der Europawahl noch daran erinnert hast, dass man ja morgen auch Yanis Varoufakis wählen kann – nämlich in Form von DiEM25. Sein Argument hat mich überzeugt:

Varoufakis ist aus meiner Sicht der Idealkandidat, um im Europaparlament nicht nur fiese Reden zu halten, sondern auch konkrete Vorschläge vorzulegen. Und zwar ernsthafte Vorschläge, die er vorher mal durchgerechnet hat. Nicht so Merkel-mäßig “wir müssen und alle zusammen…"-Hohlphrasen, und nicht so SPD-mäßig “wir müssen bloß die Probleme alle lösen”-Bullshit. Die Vorschläge sind dann on the record und keiner von den anderen Abgeordneten hat dann noch Unwissenheit als Ausrede.

Auf Platz 4 der europäischen deutschen Liste von Demokratie in Europa/DiEM25 steht Bianca Praetorius, die im April von Tilo Jung interviewt wurde:

Nachtrag: DiEM25 will übrigens auch ein Grundeinkommen in Gestalt einer Bedingungslosen Grunddividende einführen. Da hätte ich noch einen Tipp: Zentralbank als Bürgergenossenschaft. Damit müsstet ihr noch nicht mal Unternehmen besteuern.

Weiterer Nachtrag: Beim Schauen des Interviews stelle ich fest, dass DiEM25 auch die dezentrale Energiewende vorantreiben will. Und: In Deutschland ist tatsächlich Varoufakis deren Spitzenkandidat, während in Griechenland ein Deutscher kandidiert, in Frankreich eine Polin usw. usf. Europe ftw!

Und ja, ich erinnere mich noch gut an meine eigenen Argumente gegen das Wählen. Dazu kann ich an dieser Stelle nur feststellen, dass ich offensichtlich nicht mehr so fundamentalistisch wie früher drauf bin. ;-) Ausserdem bin ich halt innerer Anarchist.

Nachtrag vom 26.05. 19:01 Ortszeit: Die Wahl ist jetzt schon gelaufen, trotzdem verlinke ich noch ein Interview mit Varoufakis bei Telepolis von gestern, “Das Brüssel, das wir heute kennen, ist eine Festung!”

Europa leidet unter einer ähnlichen gesellschaftlichen Lebenslüge [wie die USA]. Die Europäer denken, sie seien auserwählt als Hort des Humanismus: Man glaubt in Europa, unser Erbe der Aufklärung wird uns genuin schützen vor den Pathologien, dem Wahnsinn, den diese Gesellschaft global hervorgebracht hat in den letzten Jahren und der sich anschickt, die Welt tatsächlich zu verwüsten. Doppelmoral und Verlogenheit, die Angst vor dem Fremden und Ungewohnten - und, ja, Armut, Ausbeutung, Herrschaft über andere. Die Wahrheit über Europa liegt nicht mehr in der Komfort-Zone. Um die Wahrheit über den jetzigen Zustand der Welt zu erfahren, müssen wir uns unseren Blick nicht in die Ferne richten - es reicht der Blick bis hin zum Mittelmeer, nicht weiter … Die Europäische Union nimmt für sich in Anspruch, die auserwählte Heimat großer Prinzipien und Ansprüche der Zivilisation zu sein, sie verletzt aber jeden Tag ihre eigene Existenzgrundlage der großen Prinzipien. Abertausende sind im Mittelmeer elendig verrreckt - und die, die die EU repräsentieren, sehen ihnen beim Sterben von den Patrouillenbooten aus zu. Es ist jetzt die Zeit, unsere Menschlichkeit zu retten - vor diesen Abgründen der Vernichtung, diesem Abyss. Es ist jetzt die Zeit, das Versprechen Europas an sich selbst und die Welt einzulösen. Dieses europäische Projekt muss die Welt in der Realität, nicht nur in den Versprechungen auf einen sozialeren und demokratischen Weg führen, die Gesellschaft zu organisieren.

Und weiter zum Green New Deal:

Das ist das Problem, wegen welchem wir so hart für einen wirklichen Green New Deal für Europa kämpfen als DIEM25. Unser Vorschlag: die Demokratisierung der Wirtschaft. Das muss das Herz jedes ökonomischen Masterplans sein, gerade jetzt und bei der Bekämpfung der Umweltkrise. Der Notfall Klima ist eben beides - eine große Gefahr und eine große Chance für einen “radical shift” in der Art und Weise: Wir haben jetzt verstanden, wie diese Wirtschaft funktioniert, und wir wissen, wer den Benefit hat, wir wissen, wer davon profitiert. Es wäre verschwendete Zeit - wenn wir das jetzt nicht nutzen, um wirklich etwas zu ändern in der Wirtschaft. […] Dieser Green New Deal, den wir als DIEM25 vorschlagen, dieser Vorschlag sieht so aus, dass eine Art öffentliche Agentur ohne verschlossene Türen entsteht, die dann wiederum Bürger in Bürgerversammlungen an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt, wohin dann staatliche Investitionen fließen sollen. Die Bürger sollen in direkter und konkreter Demokratie an der Entscheidung beteiligt werden, wohin die Gelder fließen, worin investiert wird. Die Zentralisierung muss umgekehrt werden. Das lokale Level muss gestärkt werden - die Städte, die Communities, sollen selber entscheiden, wie sie leben möchten: So muss Regieren in Europa gehen.

Und noch mal Grundsätzliches:

Das Konzept von einer Demokratie in Europa wurde leider völlig runter reduziert - hin zu einem nur noch pathetischen, wenn auch fühlbaren Akt: der Stimmabgabe. Was wir nun zu tun haben, das ist die Rettung der wahren, der wirklichen Demokratie - in seiner ganzen fantastischen, herrlichen Radikalität. Diese Radikalität - damit meine ich den Glauben an die Idee, dass wir alle als menschliche Wesen gleichberechtigt sind von Natur aus. Den Glauben daran, dass ein jeder von uns die Kraft und die Macht haben muss, über die Zukunft dieser Gesellschaft zu entscheiden - denn es ist unsere Gesellschaft, sie gehört uns! Den Glauben daran, dass jeder von uns das naturgegebene Recht hat auf die eigene Freiheit - frei von der Herrschaft, der Tyrannei der Mächtigen und der Starken.

Nachtrag vom 29.05.: Deshalb habe ich Varoufakis gewählt – Die Anstalt von gestern