Charles Eisenstein über die Megamaschine

Weil mich die Erkenntnis, dass die Megamaschine auch mich fest im Griff hat, so schockierte, habe ich angefangen, noch mal Ökonomie der Verbundenheit zu lesen. Im fünften Kapitel Der Leichnam der Commons schreibt Charles Eisenstein:

Auf meinen Reisen, erst meinen inneren Reisen und dann als Vortragender und Autor, begegnete ich oft einem tiefen Schmerz und einer Hilflosigkeit, hervorgerufen von der Allgegenwart dieser weltverschlingenden Maschinerie und der schieren Unmöglichkeit, sich ihr zu entziehen und nicht an ihr teilzuhaben. Um eines von tausenden Beispielen zu geben: Menschen, die gegen Wal-Mart wettern oder gegen andere Supermarktriesen, die Teil der globalen Plünderungskette sind, kaufen dort immer noch ein. Sie können es sich nicht leisten, anderswo den doppelten Preis zu bezahlen oder ohne Supermarkt auszukommen. Und wie steht es mit dem Strom in meinem Haus – der Kohle, die aus den Bergen gerissen wurde? Was ist mit dem Treibstoff, der mich durch die Welt bewegt, oder mit dem mir Dinge geliefert werden, wenn ich versuche, selbst möglichst wenig herumzufahren? Ich kann meinen Anteil an der weltverschlingenden Maschinerie minimieren, aber ich kann mich ihr nicht ganz entziehen. Wenn sich Menschen bewusst werden, dass das Leben in Gesellschaft an sich bedeutet, sich am Übel in der Welt mitschuldig zu machen, dann durchlaufen sie oft eine Phase, in der sie in einer komplett isolierten und autarken intentionalen Gemeinschaft leben wollen – aber was nützt das, wenn Rom brennt? Was bringt es, wenn Sie Ihren kleinen Anteil an der Verschmutzung, die dabei ist, die Erde zu überwältigen, nicht leisten? Sie schreitet voran, ob Sie nun in einem Wald leben und sich von Wurzeln und Beeren ernähren, oder ob Sie in einem Vorort leben und aus Spanien herangekarrte Nahrungsmittel konsumieren. Der Wunsch nach persönlicher Absolution von den Sünden der Gesellschaft ist eine Art Fetisch, wie etwa Solarzellen am Dach eines 400m² Wohnhauses.

Und weiter:

So lobenswert der Impuls auch sein mag, Bewegungen, die zum Boykott gegen Wal-Mart aufrufen oder Reformen im Gesundheitssystem, im Bildungssystem, der Politik oder sonstwo verlangen, erweisen sich rasch als sinnlos, weil sie gegen die Macht des Geldes anrennen. Überhaupt irgendetwas bewirken zu wollen fühlt sich an, als würden wir angestrengt stromaufwärts schwimmen, und sobald wir uns ausruhen, schwemmt uns ein neuer Skandal, ein neues Gräuel davon; wieder wird der Natur, der Gemeinschaft, der Gesundheit, der Spiritualität um des Geldes Willen etwas entrissen.

Hier kommen wir nun wieder zu meinem Kernthema, dem Geld:

Was ist eigentlich diese “Macht des Geldes”? Sie ist nicht – auch wenn es manchmal so scheint – eine üble Intrige von Bänkern, die die Welt über die Bilderberg Gruppe, die Trilaterale Kommission und andere Instrumente der “Illuminaten” kontrollieren.

Obwohl ich immer wieder von den Eliten schreibe, gehe ich wie Eisenstein nicht davon aus, dass diese den Rest der Menschheit quasi fernsteuern:

Aber wenn Sie mir einen kleinen Exkurs in die Metaphysik erlauben, dann denke ich, dass unsere tiefen Ideologien und Glaubenssysteme und deren unbewusste Schatten ein Feld von Gleichzeitigkeiten erzeugen, die zusammen wie eine Verschwörung wirken. Es ist in Wahrheit eine Verschwörung ohne Verschwörer. Jeder ist eine Marionette, aber es gibt keinen Marionettenspieler.

Auch meine Theorie einer strukturellen Weltverschwörung geht ja davon aus, dass innerhalb der Eliten heftige Machtkämpfe toben und diese sich beileibe nicht immer einig sind.

Eisenstein kommt zu folgendem Schluss:

Der wahre Schuldige, der wahre Marionettenspieler, der unsere Eliten hinter den Kulissen manipuliert, ist das Geldsystem selbst: ein kreditbasiertes, zinsgetriebenes System, das der sich seit Urzeiten zuspitzenden Vereinzelung entsprungen ist. Es erzeugt Konkurrenz, es polarisiert, macht gierig. Es erzwingt endloses exponentielles Wachstum. Und am wichtigsten: Es gelangt in unserer Zeit an sein Ende, weil der Treibstoff für sein Wachstum – das soziale, natürliche, kulturelle und spirituelle Kapital – ausgeht.

Deshalb eben meine ganz praktische Empfehlung: Hört auf, Zinsen zu zahlen und zu nehmen, die natürlich auch von Eisenstein inspiriert ist.

Am Dienstag fiel mir übrigens das perfekt passende Buch in die Hände: Sag alles ab! Plädoyers für den lebenslangen Generalstreik. Ein Beitrag daraus stammt vom Berliner Rapper TAPETE:

Dazu passt schliesslich auch Käptn Pengs Kündigung, die ich schon im Beitrag Der Kapitalismus ist ein Hamsterrad, das sich als Karriereleiter tarnt erwähnt hatte.

Nachtrag aus Kapitel 12 Eine Negativzinswirtschaft:

Geld ist so zentral, es prägt unsere Zivilisation so sehr, dass es naiv wäre zu hoffen, es könnte irgendeine glaubwürdige gesellschaftliche Veränderung geben, die nicht auch eine fundamentale Veränderung des Geldes mit einschließt.

Geld ist der Treibstoff der Megamaschine, das Blut des megatechnischen Pharao. Lasst uns Zucker in den Tank schmeißen und den Pharao ausbluten, indem wir unsere Gaben verschenken, statt sie zu verkaufen!