Wer Wirtschaftswachstum will, braucht in aller Regel Schuldenwachstum

Heute mal wieder ein Beitrag der Kategorie “saldenmechanische Binsenweisheiten”: Es klagen ja (fast) alle über die bösen, ausufernden “Schuldenberge”. Gleichzeitig wünschen sich die meisten dieser gleichen Leute Wirtschaftswachstum. Es soll uns und unseren Kindern ja später mal besser gehen als heute. In aller Regel umfasst dieses “besser gehen” auch größere Privatvermögen (“Ersparnisse”). Und da liegt nun der Hund begraben: Da die Schulden der einen Marktteilnehmer in einer Volkswirtschaft genau den Vermögen der anderen entsprechen (oder in der Sprache des Rechnungswesen die Summe der Verbindlichkeiten der Summe der Forderungen, was wiederum Bestandteile der jeweiligen Geldvermögen sind), müssen zwangsläufig bei irgendwem zusätzliche Schulden auflaufen, wenn mein Vermögen wachsen soll. Die einzige Art, Wirtschaftswachstum zu erzeugen ohne zusätzliche Neuverschuldung, sind Lohn- und Gehaltserhöhungen genau entsprechend des Produktivitätszuwachses, die vollständig verkonsumiert werden (sollte ich eine andere Möglichkeit übersehen haben, dann meldet euch, ich weiss im Moment von keiner). Das könnte man dann “rein reales Wirtschaftswachstum” nennen.

Update: Da war ich doch regelrecht mit Blindheit geschlagen & musste erst in einem Kommentar darauf hingewiesen werden, dass ja auch die Lohn- & Gehaltserhöhungen vorfinanziert werden müssen. Produkte und Dienstleistungen sind nun mal kein Geld. Damit kann ich also konstatieren:

Es gibt kein Wirtschaftswachstum ohne Schuldenwachstum.

Die Überschrift lasse ich aus Verlinkungsgründen wie sie ist, obwohl das “in aller Regel” nicht nur überflüssig, sondern sogar falsch ist. (Ende Update)

Heiner Flassbeck schreibt über die Ignoranz solcher saldenmechanischen Binsenweisheiten unter der treffenden Überschrift Das kollektive Leugnen der Deutschen oder die Angst vor der Wahrheit und bezieht sich damit auf den mal wieder rekordmäßigen deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Wir sind nur deshalb “Exportweltmeister”, weil Länder wie Portugal oder Griechenland so massiv (v. a. bei uns) verschuldet sind. Wobei “uns” sich hier vor allem auf deutsche Banken bezieht. Damit beschäftigt sich z.B. der Film Wer rettet wen?.