Jenseits von Gut und Böse

Immer wieder ist es gar nicht so leicht für mich, in dieser Welt ohne feste Wertmaßstäbe herumzulaufen. Das tue ich noch gar nicht so lange, bin darin sozusagen Anfänger. Leute werfen mir vor, kein Gewissen zu haben, und ich kann nur antworten, “ja stimmt, das hab ich mir abgewöhnt”. Überhaupt bemühe ich mich, Dingen, Empfindungen und Ansichten dauerhaft keine allzu große Bedeutung beizumessen, weil das einfach einschränkt (siehe Innerer Anarchismus). Die Betonung liegt auf dauerhaft, denn für den Moment gibt Bedeutung den Erlebnissen die Würze. Ein Spiel macht nur mäßig Spaß, wenn es “nur ein Spiel” ist. Wenn wir so tun und uns für die Dauer des Spiels selbst davon überzeugen, als hätten die Chips beim Pokern zuhause tatsächlich einen Geldwert, ist der Nervenkitzel ungleich größer.

Der Fehler, den viele Menschen begehen (von denen, die sich selbst als spirituell begreifen): Sie glauben, dass ihr Wahres Selbst irgendwelche einzigartigen Eigenschaften hat, die “mein wahres Selbst” von “deinem wahren Selbst” unterscheiden. Dabei gilt:

Mein Wahres Selbst ist Dein Wahres Selbst ist Das Wahre Selbst IST.

Oder in den Worten von Käptn Peng: Das Es ist versteckt sich hinter dem Ich. Auch “authentisch sein” ist daher letztlich eine leere Floskel. Peter Carroll schreibt im Liber Null:

Der Zauberer tut auf dieser Ebene der Illusion das, was er will, er weiß, daß nichts wichtiger ist als irgendetwas anderes und daß alles, was er tun kann, lediglich eine Geste ist. Deshalb steht es ihm frei, alles so zu tun, als sei es ihm wichtig.

Es scheint mir fast so, als ob mein Mit_gefühl_ gerade in dem Maße wächst, wie mein Gewissen und damit verbundene _Schuld_gefühle sich verflüchtigen. Was ich über Das große Ich und das kleine Ich geschrieben hatte, kann ich heute voll bestätigen.

Und immerhin kann ich mich an einige große Geister halten. C.G. Jung schrieb:

Die Paradoxie gehört sonderbarerweise zum höchsten geistigen Gut; die Eindeutigkeit aber ist ein Zeichen der Schwäche. […] nur das Paradoxe vermag die Fülle des Lebens annähernd zu fassen, die Eindeutigkeit und das Widerspruchslose aber sind einseitig und darum ungeeignet, das Unerfaßliche auszudrücken.

In diesem Sinne sage ich mit Orange:

Kein Gut und kein Böse Kein Richtig und Falsch Keine feste Größe Du und Ich bestenfalls…

Update vom 7.1.: In diesem Beitrag darf der schöne Satz von Rumi nicht fehlen:

Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.

Diesen Satz hat auch die Beyond Foundation, von Regula Curti in Zusammenarbeit mit Tina Turner ins Leben gerufen, in ihrem Motto. Die CD Children Beyond höre ich gerade.