Eigentum als Instrument von "Teile und herrsche"

Seit einigen Monaten setze ich mich mit den Voluntaristen bzw. Libertaristen auseinander (vorrangig auf der Website FreiwilligFrei), deren Schlussfolgerungen ich größtenteils teile. Sie streben kurz gesagt eine Gesellschaft an, die auf vollkommener Freiwilligkeit aller Menschen beruht, also eine Gesellschaft ohne Zwang. Das tue ich auch. Was mir allerdings große Bauchschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass Volutaristen dabei ausschließlich vom Konzept des Eigentums (sowie einer esoterischen Angelegenheit namens “Selbsteigentum”) ausgehen, welches ich ja bekanntlich für nicht hilfreich, sondern eher unsinnig halte. Exemplarisch findet man diese Begründung in Kapitel 4 von Hans-Herrmann Hoppes Buch Eigentum, Anarchie und Staat.

Im folgenden will ich darlegen, warum das Konzept des Eigentums nicht nur nicht hilfreich, sondern zur Begründung einer Gesellschaft ohne Zwang sogar kontraproduktiv ist. Denn letzten Endes ist (Privat-) Eigentum nichts anderes als das Prinzip von Teile und Herrsche. Dieses Prinzip besteht darin, dass man Menschen gezielt dahin treibt, sich unterschiedlichen und gegeneinander gerichteten Interessengruppen zuzuordnen. Damit wird verhindert, dass sich diese Menschen für eine gemeinsame Sache zusammentun. Wie die Scherben so schön singen: Allein machen sie dich ein. Das Konzept von Eigentum macht nun in letzter Konsequenz jede und jeden zu einer 1-Personen-Interessengruppe gegen den Rest der Welt mit dem Ziel, das jeweilige Eigentum zu bewahren und zu vermehren. In der Ökonomik nennt sich das Homo oeconomicus oder rationaler Nutzenmaximierer und ist die Grundlage der gesamten neoklassischen Wirtschaftstheorie.

Um es noch mal mit einfachen Worten zu betonen: Eigentum ist das, was Menschen voneinander trennt, der Unterschied zwischen “meins” und “deins”. Und wie David Graeber überzeugend darlegt, beruht es historisch auf äußerst gewaltsamer physischer Trennung von Menschen sowohl voneinander als auch von ihrer materiellen Lebensgrundlage.

Dagegen hilft das Motto, das ich 2005 für die Alternativen Genossenschaftstage verwendet habe: Bildet Banden! Neben den Genossenschaften ist dabei vor allem die wachsende Commons-Bewegung zu nennen. Die Leute, die sich darüber Gedanken machen, entwickeln vielfältige Konzepte, wie Menschen gemeinsam ihr Leben und ihre Ressourcen gestalten können, als Beispiel empfehle ich einen Artikel von Stefan Meretz. Natürlich darf die Freie Kooperation an dieser Stelle nicht fehlen, ein weiteres Konzept, das realistischerweise auch den Faktor Macht berücksichtigt und bestrebt ist, diese auszubalancieren. Das geht nur, indem wir Macht und Einfluss beständig neu verhandeln. Sobald etwas als Gegeben hingenommen und nicht mehr hinterfragt werden soll, so wie im Volutarismus das Eigentum, schleicht sich Herrschaft durch die Hintertür ein.

Update vom 27.01.2015: Patrick Siebert hat sich bereits im November 2013 ebenfalls ausführlich mit dem Voluntarismus auseinandergesetzt. Da hat er ihre Argumentation wesentlich umfassender auseinandergenommen als ich hier. Den Aspekt von Eigentum als Teile und Herrsche habe ich dennoch dort ergänzt.

Update vom 01.10.2015: Martin Finger hat einen Artikel geschrieben, der das Prinzip Eigentum sehr gründlich auseinandernimmt: Wem gehört die Sonne?

Update vom 17.12.2015: Ich gebe es auf, mit Voluntaristen zu diskutieren.

Wichtiger Nachtrag vom 28.01.2019: Selbsteigentum als evolutionäre Errungenschaft.