Bringt mir falsifizierbare Belege, dass wir nicht in einer Matrix leben

Bisher hat Fefe auf meinen Beitrag nicht reagiert; ob er vielleicht Social-Justice-Methoden anwendet und mich blockt? ;-)

Jedenfalls besteht er weiterhin auf seiner Unterscheidung von “Fakten” und “Einschätzungen”:

Fakten sind wirklich und bestehen und können weder wahr noch falsch sein.

Als Beispiel nimmt er eine Umfrage:

Sowas wie “bei einer Befragung gaben 50% der Befragten an, an Engel zu glauben” ist ein Fakt. “Also glauben 50% der Bevölkerung an Engel” nicht.

Nehmen wir das mal auseinander:

  1. Offenbar hat da irgendwer Leute zu ihrem Glauben an Engel befragt. Das ist für mich zunächst nur eine Aussage, die auch falsch sein könnte, und dieser Jemand hat sich das vielleicht einfach ausgedacht. Ohne zu überprüfen kann ich die Aussage nur glauben und darüber hinaus, selbst wenn ich Zeugen befrage, es Videoaufnahmen gibt oder was auch immer, könnte ich das am Ende nur glauben, solange ich nicht selber bei der Befragung dabei war.
  2. Nehmen wir an, da hat tatsächlich jemand Leute befragt. Nun behauptet dieser Jemand, 50% der Befragten hätten angegeben, an Engel zu glauben. Auch das ist eine Aussage, die ich glauben kann oder nicht. Für Zeugen, Videoaufnahmen usw. gilt auch in diesem Punkt das gleiche wie oben: am Ende kann ich nur glauben, dass das so war, solange ich nicht persönlich dabei war.
  3. Nehmen wir weiterhin an, die befragten Leute hätten tatsächlich so geantwortet. Das kann ich aber nicht wissen, wenn ich nicht dabei war, sondern nur die Befrager selbst. Für diese stellt sich das Umfrageergebnis als Fakt dar, für mich bleibt es ein Glaubensinhalt.

Das heisst, dass auch die wissenschaftliche Methode und der Falsifikationismus letzten Endes bei fast allen Menschen in fast allen Bereichen nur Glaubensinhalte erzeugen kann. Das gesellschaftliche System Wissenschaft steht und fällt mit dem Vertrauen der WissenschaftlerInnen untereinander und dem Vertrauen der Nicht-WissenschaftlerInnen in diese. Die gleiche Überlegung hatte ich hier im Blog schon mal für Verschlüsselungssoftware. Ich kann schlicht nicht alle Aussagen eigenhändig überprüfen, die mir begegnen (und den Quellcode aller Programme, die ich benutze), sondern nur einen verschwindend geringen Anteil davon.

Fassen wir das in einen Merksatz zusammen:

Man kann keine Fakten kommunizieren, sondern nur Aussagen.

Da nun aber Gesellschaft gerade durch Kommunikation entsteht, können wir in einer Gesellschaft über “Wahrheit” und “Fakten” nicht sinnvoll reden, ganz unabhängig davon, ob diese existieren oder nicht. Wir können uns nur zeitweilig auf bestimmte Aussagen einigen (Stichwort Konsensrealität). Deshalb ist gesellschaftliche Realität immer konstruiert und Gegenstand von Verhandlungen.

Damit bin ich bei dem Umfragen-Beispiel noch nicht am Ende angelangt. Angenommen, ich hätte diese Umfrage selber durchgeführt: wie kann ich, als Einzelwesen jenseits aller Gesellschaft, sicher sein, dass ich nicht in einer Matrix lebe, deren Architekten mir immer die Realität vorspiegeln, die sie gerade für angemessen halten?

Wenn du mir falsifizierbare Belege dafür bringst, dass wir nicht in einer Matrix leben, dann akzeptiere ich auch “Fakten” als “wirklich und bestehend” (die Formulierung der falsifizierbaren Belege stammt aus einer Einsendung an Fefe, die sich mit der Strategie eines Kreationisten beschäftigt).

Und komm mir jetzt nicht mit “das ist jetzt aber zu weit hergeholt!” Sicher, wenn ich diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht ziehe, verlieren die bisherigen Erkenntnisse der Wissenschaft massiv an Wert. Aber ist es denn nicht (wissenschaftlich) legitim, diese Frage ernsthaft zu stellen? Immerhin beschäftigen sich auch echte Wissenschaftler ganz wissenschaftlich damit.

Am Ende noch mal die Einladung an Fefe (& Fefe-Leser), sich meinen letzten Beitrag aus Perspektive der integralen Theorie zu Gemüte zu führen, das kann echt weiterhelfen, die Hintergründe dieses Social Justice-Verhaltens zu verstehen.

Nachtrag: Dass das mit “der Wahrheit” keine so simple Angelegenheit ist, bestätigt auch Bundesrichter Thomas Fischer in seinem Dreiteiler zum Strafprozessrecht (Über die Wahrheit, Der Beweis und die Überzeugung, Beweis und Überzeugung). Nur ein Schmankerl aus Teil II:

Also hängt alles davon ab, wie wir die Tatsachen “bewerten”, genauer gesagt: welchen “Sinn” wir ihnen verleihen. Denn Tatsachen sind Tatsachen, Worte sind Worte, Handlungen sind Handlungen. Dass das Wort A mit der Tatsache B und diese mit dem Ziel C zusammenhängt, ergibt sich nicht aus diesen Gegebenheiten selbst, sondern aus dem Sinn, den wir in ihnen erkennen. Sinn aber ist Kommunikation: Verständigung über Bedeutungen.

Überhaupt – wer oder was stellt da im Strafprozess die Wahrheit fest? Eine Gerichts_verhandlung_! Im dritten Teil setzt er das Wort sogar selber in Anführung:

“Wahrheits”-Erkenntnis ist ein an rationale Anforderungen der Kommunikation gebundener, aber vielfach von subjektiven Wertungen gesteuerter Prozess. Die Bedeutung von Worten ist ebenso wenig mit naturwissenschaftlicher Präzision zu erfassen wie die Wertigkeit von “Eindrücken” (was etwa die Qualität eines Zeugen angeht), die Anwendung von Erfahrungssätzen und die assoziativen Anteile der Beurteilung etwa von “Glaubwürdigkeit”.