Wir biegen den Regenbogen

In einer Woche Sommercamp ist ne Menge passiert, in der Gruppe der Gäste, in der Gemeinschaft Jahnishausen & auch in mir. Als ein grosses Thema hat sich Kinder & Eltern in der Gemeinschaft herauskristallisiert. Da schwelt wohl schon seit etwa einem Jahr schon ein Konflikt zwischen den Eltern, vor allem den Müttern, & der Gemeinschaft. Einerseits fühlen sich die Eltern nicht genügend unterstützt von der Gemeinschaft, andererseits ist noch überhaupt nicht geklärt, wie weit sich die Gemeinschaft in das Verhältnis zwischen Kindern & Eltern einmischen darf/soll. Als einer der nächsten wichtigen Punkte steht demnach an, dass die Gemeinschaft Jahnishausen ein pädagogisches Konzept entwickelt.

Neben solchen ernsten Themen hat das vormittägliche Arbeiten Spass gemacht & teilweise ungeahnte Kräfte & Talente geweckt (z.B. beim Abtragen eines Schutthaufens). Als Beispiel ein Foto von mir beim Gemüse Schnippeln in der Küche: in der Küche in Jahnishausen

Bei einer Fragestunde habe ich mir noch einiges notiert, das ich im Folgenden hier mitteile: Ein Grundstein der Gemeinschaft war eine Seminarreihe “Magie des Alters” von Frieda Radford & Birkhilde Nicolai. Die TeilnehmerInnen dieser Seminare trafen sich anschliessend auf eigene Faust & tun dies heute noch 4-5mal im Jahr. Die Genossenschaft (& damit die Gemeinschaft) wurde 2001 von sieben Frauen zwischen (damals) 52 & 67 Jahren gegründet, die allesamt Altersmagierinnen sind. Es gibt ungefähr alle zwei Monate Supervision durch eine Psychologin, um einen regelmässigen Blick von aussen auf die Gemeinschaft zu bekommen.

Finanziert werden die Restaurierungsarbeiten durch Einlagen der GenossInnen, Eigenleistungen, Kredite von der Kreditanstalt für Wiederaufbau sowie der GLS Gemeinschaftsbank & auch durch Zuschüsse. Die Kosten für den ersten Bauabschnitt belaufen sich auf ca. 1,5 Mio. EUR. Wer in die Gemeinschaft einsteigen will, muss einen Pflichtanteil an der Genossenschaft in Höhe von 7750 EUR erwerben. Die BewohnerInnen zahlen Miete & Essenskosten, ein eigenes Einkommen ist also bisher noch zwingend erforderlich. In voll ausgebautem Zustand sollen in Jahnishausen bis zu 100 Menschen leben, dann wird die Genossenschaft voraussichtlich auch einige Arbeitsplätze bieten. Bis dahin ist aber noch verdammt viel zu tun! Der Alltag besteht dem entsprechend aus viel Arbeit. Einmal die Woche gibt es ein Orga-Treffen, zu dem möglichst alle Gemeinschaftsmitglieder kommen sollen. Ebenfalls einmal die Woche ist Forum (das hat Jahnishausen vom ZEGG übernommen), ebenfalls verbindlich Restaurierungsarbeiten durch Einlagen für alle. Anders als im ZEGG ist es hier so geregelt, dass jedeR sich die Forumsleitung selber aussucht.

Das leitet auch schon über zum restlichen Verlauf des Sommercamps. Da haben wir nämlich an einem Nachmittag Forum gemacht. Einen Ausflug in einen benachbarten Schlosspark gab’s ebenfalls. Mein stärkster Moment war der rituelle Redekreis nach Manitonquat. Dabei sitzen alle im Kreis, & alle verpflichten sich bis zum Ende zu bleiben. Es darf auch niemand mittendrin dazukommen. Ein Redestein oder -stab wird im Kreis weitergegeben, & wer den Stein (in unserem Fall war es einer) hat, hat die volle Aufmerksamkeit der Runde. Diese Person kann dann sprechen was ihr gerade am Herzen liegt, oder auch den Stein einfach weitergeben. Wichtig ist, dass alle anderen zuhören & niemand dazwischenredet. Es ist kein Gespräch zwischen den Anwesenden, sondern Mitteilen & Zuhören. Alles was gesagt wird bleibt im Kreis, d.h. nachher wird nicht über das Gesagte geredet oder gar etwas weiter erzählt. Mich hat es sehr berührt, wie verbunden wir einander waren & wie viel Vertrauen durch den rituellen Rahmen entstand. Die Menschen haben sehr Intimes mitgeteilt, ich auch. An diesem Abend war für mich besonders stark die Qualität dieses Ortes & der Gemeinschaft spürbar, eine ruhige, warme Herzenskraft. Im Vergleich zum ZEGG kam mir das Bild vom Feuer - kein Wunder, wir sassen beim Redekreis ums Feuer: Während hier eine starke Glut glüht, brennt im ZEGG eine helle Flamme.

Sehr ergiebig für mich war ein von mir einberufenes “philosophisches Café” zu meiner Forschungsfrage, also welche Werte hinter Konsensentscheidungen stehen. Da waren nämlich zwei dabei, die die 68er-Bewegung damals mit kritischem Abstand beobachtet haben. Vor allem Freimut konnte auch von seinen Trainings & Aktionen der Gewaltfreien Bewegung gegen die nukleare Rüstung berichten. Ausserdem war er 1966/67 im Kibbuz in Israel & hat dort den Sechstagekrieg vor Ort mitbekommen. Zudem ist er bei den Quäkern, die nach seiner Aussage ein wesentlicher Impulsgeber dafür waren, dass bei gewaltfreien Aktionen immer im Konsens entschieden wird.

Als Fazit kann ich sagen, dass ich in einer Woche sehr viel gelernt, viele spannende Menschen getroffen - & vielleicht sogar schon mein Quartier für den Winter gefunden habe.