Sommercamp in Jahnishausen

Am Sonntag bin ich zur Lebens(t)raum-Gemeinschaft Jahnishausen getrampt & da ging’s gleich nahtlos weiter mit dem nächsten Sommercamp. Motto: “Wir biegen den Regenbogen.” Jahnishausen ist ein kleines Dorf bei Riesa in Sachsen. Wem das noch immer nichts sagt: die nächste grosse Stadt ist Dresden. Mein erster Eindruck von Jahnishausen war: Baustelle. & dieser verfestigte sich in den nächsten Tagen noch. Die Leute von der Lebens(t)raum-Gemeinschaft haben nämlich ein altes Rittergut gekauft, das seit der Wende leer stand & dem entsprechend heruntergekommen ist. Da gibt’s monstermässig viel zu tun bis das alles wieder bewohnbar ist. & die Gemeinschaft selber ist auch noch eine Baustelle, weil sie erst seit vier Jahren besteht.

Jahnishausen ist die erste für mich neue Gemeinschaft auf meiner Reise, deshalb habe ich mir zwischendurch immer wieder Dinge notiert. Ich fange mal an mit den umfangreichen Infos vom Geländerundgang.

Geschichte von Jahnishausen

Die Anfänge von Jahnishausen verlieren sich im Dunkeln, relativ fest steht, dass der Ort eine Fluchtburg slawischer Stämme war. Um ca. 900 n. Chr. fielen christliche Eroberer im heutigen Sachsen ein, gegen 1300 gab es eine Wasserburg in Jahnishausen. Deren genauer Ort ist jedoch unklar. Der Ort liegt im Tal des Baches Jahna, deshalb ist das Gelände relativ sumpfig. Die Gebäude sind in ihrer heutigen Form ca. 200 Jahre alt. Graf Georg von Hopfgarten hat sie um 1800 herum wieder herrichten lassen & gilt deshalb als Wiedererbauer von Jahnishausen. In der DDR wurden die Gebäude teilweise als landwirtschaftliche Berufsschule genutzt, der Dorfvorsteher hatte dort ebenfalls seine Wohnung.

heutige Situation: Gemeinschaft & Genossenschaft Jahnishausen

Die Gemeinschaft hat sich die Rechtsform der Genossenschaft gegeben. Diese hat 2001 das gut 3,5 ha grosse Gelände für 160.000 DM ersteigert. Auf dem Gelände befinden sich 12 Gebäude mit ca. 20.000 qm nutzbarer Fläche - wovon aber das meiste erst noch restauriert werden muss. 0,6 ha werden als Gartenfläche zum Anbau von eigenem Gemüse & Obst genutzt. Zur Nahrungsversorgung hält die Gemeinschaft ausserdem einige Hühner, Schafe & Bienen. Das Heizgebäude wurde neu gebaut, es ist eine Hackschnitzel-Heizanlage, die alle Gebäude auf dem Gelände beheizen kann. Deshalb waren hohe Anfangsinvestitionen notwendig, obwohl ja bisher nur wenig Wohnraum tatsächlich beheizt wird. Realisiert wird dies mit einer Wandheizung, die alle Aussenwände eines Gebäudes heizt & dabei zugleich die Wände trocken hält. Erste Gebäudeteile sind innen mit Lehm verputzt.

So viel zum Gelände. Es leben momentan ca. 30 Personen dort (nicht alle sind feste Gemeinschafts- & damit Genossenschaftsmitglieder, daher ca.), darunter 8 Kinder. Viele BewohnerInnen sind schon älter, was durchaus etwas Besonderes in der Gemeinschaftsszene ist. Es leben Menschen aus vielen Teilen Deutschlands hier, auch einige aus der näheren Umgebung.

Eine “prozessorientierte” Woche

Dies ist das dritte Sommercamp in Jahnishausen, & das erste Mal wurde das Experiment gemacht, kein Programm vorzugeben sondern die Woche “prozessorientiert” gemeinsam zu gestalten. Fest ist nur der grobe Rahmen: Morgeneinstimmung nach dem Frühstück, vormittags Arbeit in verschiedenen Arbeitsgruppen, nachmittags gemeinschaftliche Aktivitäten & abends Plenum (auf dem dann beschlossen wird was am nächsten Tag geschehen soll). Am Montag Nachmittag gingen wir in einer intensiven Diskussionsrunde der Frage nach, was “prozessorientiert” für uns überhaupt bedeutet. Also konkret, wie wir entscheiden was wir diesen Nachmittag gemeinsam machen. Das zog sich lange hin & lieferte kein Ergebnis. Dafür war es sehr spannend zu beobachten was bei mir & bei den anderen Leuten so abgeht in einem völlig offenen Rahmen, & wieviel da eigentlich hinter steckt. Für mich ergab sich eine Forschungsfrage für diese Woche:

Welcher Wert steht hinter basisdemokratischer Entscheidungsfindung bzw. Konsensentscheidungen?

Konsens ist ja zunächst nur eine Form der Entscheidungsfindung. Warum genau auf diese Art Entscheidungen gefällt werden sollen, dafür haben Menschen Gründe, da gibt es Wertvorstellungen die vermeintlich nur auf diese Art eingehalten werden können. Welche Werte das sind & ob diese tatsächlich nicht anders gelebt werden können, das möchte ich herausfinden. Es gibt ja z.B. das Phänomen des “guten Königs”, der so regiert, dass es seinen Untertanen dabei möglichst gut geht. Obwohl er sie nicht vorher fragt ob das für sie in Ordnung ist. Naja, das sind erste unausgereifte Gedanken dazu.

Jedenfalls gefällt’s mir hier nach 2 Tagen Kennenlernen, & die Gäste beim Sommercamp sind ebenfalls interessante Menschen.