Leistung: Woran ich mich selber messe

Mitten in der Nacht (siehe Uhrzeit dieses Beitrags) liege ich wach & mein Kopf brummt vor lauter Dingen, die ich in der nahen Zukunft zu tun habe.

Dann erkenne ich etwas, das mich entspannt: Auch wenn ich tot bin, wird es noch gaaanz ganz viel zu tun geben. Ich muss das also nicht alles alleine bewältigen ;-)

Im nächsten Schritt wird mir klar, dass ich mich bisher danach bewertet habe, wie viel ich tue. Damit bin ich natürlich nie vollkommen zufrieden, denn ich könnte immer noch mehr tun.

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: Ich muss nicht komplett aufhören, mich an etwas zu messen - mein neues Kriterium ist, was ich tue (die Qualität dessen was ich tue).

Damit habe ich für mich den Begriff Leistung so umdefiniert, dass ich auch hierbei vom Denken in Mengen zum Denken in Wirkungen umgeschaltet habe.

Auf die Art kann ich in jedem Moment mein Bestes geben, es gibt nicht automatisch ein “noch besser”, so wie es automatisch ein “noch mehr” gibt. Natürlich kann ich manchmal unter meiner Höchstleistung bleiben. Das ist dann ein Anlass mich zu fragen wie ich noch besser werden kann.

Anders als beim “noch mehr” ist der Fokus auf Qualität jeweils auf das Hier & Jetzt bezogen. Wenn ich darauf schaue wie viel noch zu tun ist, verliere ich mich mit meinen Gedanken schnell in der Zukunft.

Früher in der Schule habe ich das Wort “Leistung” verabscheut, die Leistungsgesellschaft war mir zutiefst zuwider.

Ich habe mich damals erfolgreich gegen den Maßstab von Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit (wie es auch in der Physik definiert ist) gewehrt, denn dieser Maßstab führt unweigerlich dazu, dass mensch sich selbst verurteilt.

Sich selbst verurteilen schränkt das eigene Potential ein. Das geschieht jedoch ebenso, wenn mensch sich überhaupt nicht selber beurteilt, d.h. an etwas misst. Es wäre also ein Fehler, ganz damit aufzuhören.

Wenn ich mich an der Qualität dessen beurteile, was ich tue, dann messe ich mich letzten Endes an meinem eigenen, inneren Maßstab. Andere können mir zwar Rückmeldungen geben, wie gut ihnen meine Leistung gefällt; sie können jedoch nicht beurteilen, zu welcher Höchstleistung ich in der Lage bin.

Wissen kann ich das auch nicht - ich muss es immer wieder ausprobieren, mich an meine Leistungsgrenzen herantasten. Andere Menschen können mich dazu ermutigen.

Übrigens führt das Verständnis von Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit dazu, dass unsere Kultur ganz viel Unsinniges produziert. Denn Sinn lässt sich nicht in einen Maßstab von mehr oder weniger pressen - entweder etwas ist sinnvoll oder eben nicht. & wenn es sinnvoll ist, dann reicht das vollkommen aus, es gibt dann nichts mehr zu verbessern.

Ich lande hier wieder bei den Bedürfnissen: Eine Leistung ist dann sinnvoll, wenn sie ein Bedürfnis erfüllt (von wem auch immer).

Eine weitere Wirkung dieser alten Definition von Leistung ist der Widersinn unseres Lohnarbeitssystems. Einerseits sind die Unternehmer bestrebt, die Produktivität zu erhöhen, d.h. den Aufwand (das wie viel) für ein gewünschtes Ergebnis zu senken. Üblicherweise wird dabei der Arbeitsaufwand gesenkt, weil sich am Produktionsfaktor Arbeit am meisten einsparen lässt. Das führt logischerweise dazu, dass Arbeitskräfte überflüssig werden & die Arbeitslosigkeit steigt.

Andererseits messen sich die Arbeitenden daran, wie viel sie arbeiten - also genau an dem Faktor, den ihre Arbeitgeber minimieren wollen.

Eine (an sich zu begrüssende) Leistungssteigerung hat also den unerwünschten Effekt, dass Menschen arbeitslos werden & sich dabei auch noch minderwertig und/oder schuldig fühlen.

Mit Frithjof Bergmann stelle ich daher fest, dass das Lohnarbeitssystem gar keine Leistungsgesellschaft ist, weil es zwar diejenigen belohnt, deren Leistung die Produktivität erhöht, andere aber (für die Leistung der Ersteren!) bestraft, weil sie durch die Produktivitätssteigerung “überflüssig” geworden sind. Sie sind nämlich nur an ihrer bisherigen Stelle überflüssig geworden, nicht jedoch für die Gesellschaft als Ganzes. Übrigens meistens auch nicht für ihr Unternehmen, was die Unternehmen jedoch nur selten erkennen.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur neuen Kultur lautet demnach:

Umdenken beim Bewerten von Leistung!