Was hat dein Smartphone mit dem Putsch in Bolivien zu tun?

Stellt sich raus: eine ganze Menge. Aber der Reihe nach. Zunächst mal – es war tatsächlich ein Putsch gegen die Regierung von Evo Morales.

Nun zum Smartphone: Dessen Lithium-Ionen-Akku basiert, wie der Name schon sagt, auf dem Alkalimetall Lithium. Und das, wie der Artikel Elon Musk, Bolivien und das Lithium-Puzzle in der Atacama-Wüste zeigt, spielt eine nicht unwesentliche Rolle beim Putsch in Bolivien, denn

das Lithium-Dreieck Argentinien-Chile-Bolivien [bildet] mit mindestens 50 Prozent der weltweiten Vorkommen die größte natürliche Reserve des strategischen Rohstoffs.

Elon Musk kommt natürlich vor allem als Inhaber der Elektroauto-Firma Tesla in diesem Spiel vor. E-Autos brauchen zwar um ein Vielfaches größere Akkus als Smartphones; dafür sind zur Zeit allerdings etwa 3,5 Milliarden Smartphones im Einsatz. Da kommt schon eine ganz schöne Menge Lithium zusammen.

Zurück nach Bolivien:

In Argentinien und Chile fördern bereits mehrere private Unternehmen das Metall. Anders war die Entscheidung der Regierung Morales in Bolivien. Die südamerikanischen Nationen sollten sich vielmehr auf die Wertschöpfung des Lithium-Rohstoffs mit der Herstellung von Batterien konzentrieren, anstatt das Metall als billige Handelsware zu verscherbeln, so Boliviens gestürzter, plurinationaler Staatschef. Folge dieses Verständnisses von nationaler Rohstoff-Souveränität und technologischer Autonomie war der Ende 2018 zwischen der staatlichen bolivianischen YLB und der deutschen Firma ACI Systems Alemania mit 51 zu 49 Prozent Aktienanteilen ausgehandelte Vertrag über die Lithium-Anreicherung und die Errichtung der ersten industriellen Lithium-Batteriefabrik auf lateinamerikanischem Boden. Der Vertrag wurde unter massivem politischen Druck von Morales jedoch überraschenderweise im Oktober 2019 wieder gekündigt.

Das war kurz vor dem Putsch.

Das mit der “Elektromobilität” (die es auf Schienen schon seit über 100 Jahren gibt und dort bestens funktioniert – ohne Lithium) sollten wir besser noch mal überdenken. Am Beispiel Tesla:

Vier Monate vor dem Staatsstreich gegen Evo Morales in Bolivien schätzte das US-Beratungsunternehmen Allied Market Research, dass der Weltmarkt für Lithiumbatterien im Jahr 2022 einen Wert von 46 Milliarden US-Dollar erreichen könnte. Ein Teil der Euphorie, so die britische BBC, hatte mit der Ankündigung Elon Musks vom Juni 2019 zu tun, er wünsche sich eine Ausweitung der Produktion von Tesla-Elektroautos. “Um 500.000 Fahrzeuge pro Jahr zu produzieren, müssen wir grundsätzlich die gesamte Lithiumproduktion der Welt absorbieren” erklärte Musk in Interviews. […]

China ausgenommen, bekommt Evo Morales‘ Lithium-Wertschöpfungsstrategie weder dem Elektroauto-Giganten noch dem internationalen Finanzkapital. “Der Gegenwind weht stärker als der Rückenwind”, protestierte Sam Jaffe, CEO vom US-amerikanischen Energiespeicherungs-Beratungsunternehmen Cairn Energy Research Advisors im Gespräch mit BBC World. “Die Idee, dass südamerikanische Länder Exporteure von Batterien für Elektroautos sein werden, macht wenig Sinn.” Da sie weit von den großen Automobilherstellungszentren entfernt sind, seien die Kosten für den Transport von Batterien sehr hoch. “Lithium zu besitzen, bringt ihnen keinen logistischen Vorteil. Wahrscheinlich ist es die beste Option, das Rohmaterial zu exportieren”, lautet die klassische kolonialistische Formel des US-CEOs. Zu dieser Formel gehören Niedrigstpreise, eine der Spezialitäten Elon Musks.

Beim Nachrichtenpool Lateinamerika gibt es mehr über die Lithium-Pläne in Bolivien: Was wird aus der Lithium-Verarbeitung?

Die vermeintlich “saubere” Elektromobilität ist also bei genauerem Hinsehen ziemlich dreckig. Und auch dein Smartphone enthält nicht nur (neben anderen) das Konfliktmineral Coltan, sondern der Grundstoff des Akkus liefert Anlässe für Putsche gegen Regierungen, die sich der Ausbeutung durch multinationale Konzerne widersetzen. Dagegen hilft auch kein Fairphone.