Deutschland führt einen Export-Weltkrieg

Ich lese gerade den Beitrag von Alexandra Senfft im Nebelkinder-Buch über das immer noch weit verbreitete Leugnen der Nazi-Täter in der eigenen Familie und sehe eine Parallele. Alexandra Senfft schreibt

Die Täter waren immer die “anderen” – und hiermit beschreibe ich einen Reflex, der hierzulande sehr üblich ist.

Dazu ergänzend Barbara von Meiboms Beobachtung, dass gerade wir Deutschen unsere eigene, faktisch sehr ausgeprägte, Macht verleugnen, wie ich schon im letzten Beitrag über den “Exportweltmeister” geschrieben hatte. Im direkten Zusammenhang damit spricht Heiner Flassbeck auch vom kollektiven Leugnen der Deutschen.

Inmitten dieses Leugnens und Verdrängens spreche ich es hiermit aus:

Deutschland führt einen Exportkrieg gegen den Rest der Welt.

Und wir sollten schnellstens damit aufhören, damit nicht Waffen gegen Leib und Leben in diesem Krieg eingesetzt werden.

Update: Japan, unsere Achsenmacht aus dem 2. Weltkrieg, führt diesen Krieg übrigens genauso, wie man in Georg Trappes Blog nachlesen kann.

Update vom 19.07.: Im Zusammenhang mit der deutschen Griechenland-Politik schreibt Mark Siemons in der FAZ über den blinden Fleck der deutschen Weltoffenheit:

Dass man auch selbst ein Teil dieser Welt und deren Veränderungen ist, wird im Abstrakten zwar niemand bestreiten wollen, doch im Konkreten der deutschen Weltsicht ist das eine ganz und gar unübliche Vorstellung. Die Folge davon ist, dass eine Debatte über die Frage, was Deutschland mit seiner ihm spätestens in der Finanzkrise von 2008 zugefallenen Macht innerhalb der Europäischen Union anfangen soll, extrem unpopulär ist. Es existiert sogar eine Art Bilderverbot für diese Macht, da schon deren bloße Imagination den Status quo der allseitigen Beliebtheit bedroht, in deren Windschatten das Land weiter seine Geschäfte und seine Hochsitz-Beobachtungen der anderen betreiben zu können hofft.

Update vom 22.07.: Jetzt auch in Telepolis: Deutschlands Wirtschaftskrieg.

Update vom 31.01.2017: Unser Weltkrieg geht ungebrochen weiter.

Update vom 03.02.2017: Peter Bofinger kommentiert den Weltkrieg im Interview mit OXI so:

Wir haben bei der Wirtschaftspolitik in Deutschland ein Inseldenken, das durchaus merkantilistische Züge trägt. Im weltweiten Handel um jeden Preis erfolgreich sein, sich auf möglichst vielen Märkten durchsetzen. Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft sehen nur Deutschland. Und sehen nicht dieses Deutschland als Teil eines größeren Ganzen.

Und weiter:

Deutschland hat nur deshalb Exportüberschüsse, weil uns beispielsweise die USA, Spanien und Frankreich viel mehr Güter abkaufen, als wir bei denen Güter einkaufen. Das heißt, wir leben davon, dass diese Länder sich verschulden. Die Schulden der anderen sind die Quelle unseres Wohlstandes. Und dafür beschimpfen wir sie noch. Wir sollten ihnen doch wenigstens dankbar dafür sein, dass sie für uns Schulden machen.

Ein anderes Interview mit Till van Treeck mit dem Titel Muss Deutschland wirklich Exportweltmeister sein? liefert weitere Hintergründe, z.B. dass der deutsche Export-Weltkrieg mit der Einführung des Euro losging:

Obwohl der deutsche Exportüberschuss so groß war und ist, wird der Euro nicht aufgewertet, weil wiederum andere Euroländer überbewertet sind, also eigentlich abwerten müssten. Unsere Exporte laufen also unter anderem wegen des Euro so gut. Man kann es sogar noch zuspitzen: Da in Deutschland Lohnstückkosten und Preise in den Jahren nach der Euro-Einführung im Vergleich der Eurozone immer günstiger wurden, hat Deutschland faktisch für sich eine Euro-interne Abwertung herbeigeführt und so versucht, Wachstum und Beschäftigung über Exporte zu generieren. Und dies in einer Situation, in der das Gegenteil, ein kräftigeres binnenwirtschaftliches Wachstum, dringend angebracht gewesen wäre.

Später stellt er die entscheidende Frage:

Wenn das stärkste Wirtschaftsland in der EU anhaltend nicht bereit ist, sehr viel mehr zu importieren, also unter anderem mehr von den EU-Krisenstaaten zu kaufen, sondern in ihnen vor allem nur Konkurrenten im Kampf um Absatzmärkte sieht – wie sollen die aus ihrer Defizitspirale herauskommen?

Nachtrag vom 22.05.2017: Die aktuelle Anstalts-Folge bringt es auf den Punkt: