Ein Herz für Nazis

Diesen Aufkleber von der DGB-Jugend kann ich nicht unkommentiert stehen lassen: Braune Flaschen gehören in den Müll

Er steht exemplarisch für viele Äußerungen aus der mehr oder weniger linken Szene, die auch viele gute Ideen & Impulse hat. Dieser hier aber geht mal gar nicht.

Lassen wir uns das mal auf der Zunge zergehen: “Braune Flaschen” meint natürlich (Neo-) Nazis, also Menschen mit einer bestimmten Ideologie. Jenseits aller Ideologie sind sie aber Menschen wie du und ich.

Etwas anders, allgemeiner formuliert, sagt dieser Aufkleber also: Eine bestimmte Sorte von Menschen gehört in den Müll.

So, und nun spulen wir mal 70 Jahre in der Geschichte zurück. Was grinst uns da im Spiegel an?

Eben. Solche Äußerungen sind menschenverachtend und vertiefen nur die Gräben zwischen den Menschen.

Definiert man Nazis als “Menschen, die bestimmten Gruppen anderer Menschen die Würde und das Existenzrecht absprechen”, dann sieht die Welt auf einmal ganz anders aus, und links & rechts verschwimmen.

Diejenigen, gegen die sich dieser Aufkleber richtet, machen das ganz genauso, keine Frage. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, führt aber in einen permanenten Krieg. Aus diesem Grund habe ich ganz bewusst die Formulierung “ein Herz für Nazis” gewählt, denn während der Verstand ihre Ansichten und ihr Verhalten für falsch hält und dafür auch gute Gründe hat, kann das Herz sie dennoch als Menschen annehmen. Vor allem, weil es um den Nazi in mir selbst weiss (siehe dazu mein Auschwitz-Bericht).

Update vom 13.11.2015: In einem Interview bei den NachDenkSeiten trifft Katrin McClean den Nagel auf den Kopf:

Was hingegen die gemäßigten politischen Lager angeht, halte ich es generell für besser, Gespräche und Begegnungen zu suchen. Was soll eine Distanzierung denn auch erreichen? Der Andere wird abgelehnt und wird dadurch in der Regel seine eigene Position nur noch mehr erhärten. Positionen werden in Dialogen verändert und nicht dadurch, dass sich jeder mit seinen Gleichgesinnten in ein Hinterstübchen zurückzieht und dort ein Positionspapier schreibt. Gemeinsame Friedensdemonstrationen sind übrigens ein wunderbares Podium, um Menschen kennenzulernen, die andere Ansichten haben, und fair mit ihnen zu diskutieren.

Und man kann sich ja auch von einer Meinung distanzieren ohne gleich völlig den Kontakt zu verweigern und die Person zur Persona non grata zu erklären. Mit dieser Kontaktverweigerung spielt man den rechten Manipulateuren doch erst recht in die Hände. Für die wäre es der größte Alptraum, wenn plötzlich bei jeder PEGIDA-Demonstration Hunderte aktiver Linker auftauchen würden, die versuchten, mit den Demonstranten zu reden und ihnen linke Positionen nahezubringen.

Mir gefällt der Artikel der NachDenkSeiten, der die Linke dazu auffordert, aus ihrer ideologischen „Echokammer“ zu kommen, und das Gespräch mit Leuten zu suchen, die derzeit rechten Parolen hinterherlaufen. So haben es gute linke Bewegungen immer gemacht. Allerdings möchte ich auch anmerken, dass manche Linke erst einmal zuhören sollten, bevor sie anfangen, zu „belehren“.

An dieser Stelle empfehle ich deshalb auch den Beitrag Führen heisst dem Prozess folgen.