Innerer Anarchismus und die drei großen Tabus Sex, Geld und Tod

Diesen Beitrag bewege ich schon seit 2 Monaten in mir, die heutige Vermögendentagung der Bewegungsstiftung nehme ich nun zum Anlass, ihn zu veröffentlichen. Es fehlt noch eine Skizze um die Zusammenhänge zu veranschaulichen, die reiche ich nach.

Mir scheint, dass der Innere Anarchismus den bisher einzigartigsten Beitrag bildet, den ich der Welt zu geben habe. Deshalb verdient das Thema durchaus einen weiteren Artikel.

Den Anstoß gibt in diesem Fall Bernard Lietaer mit seinem Buch Mysterium Geld. Darin schreibt er nämlich über die drei großen Tabus Sex, Geld und Tod folgendes:

Die westliche Gesellschaft ist von drei wesentlichen Tabus geprägt: Sex, Tod und Geld. Jahrhundertelang wurden diese Themen in “besserer Gesellschaft” nicht angesprochen. Die sexuelle Revolution in den 60er Jahren machte das erste Thema gesellschaftsfähig. In den 80er Jahren wurden wir durch Aids gezwungen, uns mit dem Tod in Zusammenhang mit Sex auseinanderzusetzen und darüber sogar mit unseren Kindern zu sprechen. Dieses Buch will nun das letzte Tabu angehen: das Geld.

Dabei sind allerdings auch Sex und Tod noch lange nicht von allen gesellschaftlichen Schranken befreit; man kann zwar darüber sprechen, es findet aber beides immer noch weitgehend versteckt im Privaten statt, vgl. auch § 183a StGB. Beim Geld verhält es sich genau umgekehrt, das prägt das gesellschaftliche Geschehen durch & durch, dafür schweigt man sich im persönlichen Gespräch darüber aus.

Was hat das jetzt aber mit Innerem Anarchismus zu tun? Nun, ganz einfach: erst wenn du dich nicht mehr von Sex, Tod und/oder Geld beherrschen lässt, bist du frei. Dazu habe ich gerade einen spannenden Artikel gefunden, der in diesen drei Tabus einen energetischen Kreislauf erkennt: Sexualität baut Energie auf, Geld (bzw. Reichtum) hält diese Energie & der Tod lässt sie wieder los.

Im alten Babylonien gehörte das laut Lietaer noch alles zusammen:

Ursprünglich diente die Münze als Beleg dafür, dass der Besitzer die Weizensteuer für den Göttinnentempel entrichtet hatte. Während der Fruchtbarkeitsrituale wurde sie dem Tempel im Austausch für Geschlechtsverkehr mit einer Vertreterin der Göttin persönlich zurückgegeben, welche die Bibel 2000 Jahre später als “Tempelhure” bezeichnete. Damals war der Geschlechtsverkehr mit einer Priesterin jedoch nicht das, was wir heute als Prostitution bezeichnen, auch nicht aus weiblicher Sicht. Nancy Qualls-Corbett erklärt in ihrem Buch The Sacred Prostitute: Eternal Aspects of the Feminine, dass die Sexualität der Frau Teil der Mythologie über die Erschaffung des Universums und der Fruchtbarkeit der Erde war. Der Geschlechtsakt mit einer “Tempelhure” entsprach daher dem Verkehr mit der Göttin persönlich, eine lebenswichtige Angelegenheit und eine Form der Verehrung der Gottheit. Die Priesterinnen waren die Pforte; sie begründeten ursprünglich das System. Erst später, im Patriarchat, führten diese Rituale zur Ausbeutung der Frauen.

Dass das Geld im energetischen Kreislauf die Energie hält, zeigt mir, dass sterbendes Geld nicht die einzige Form davon sein sollte, wie ja auch Lietaer schreibt:

Es könnte kontraproduktiv sein, wenn man versuchte, die offiziellen Währungen durch die Yin-Währungen zu ersetzen. Beide Währungsformen sind notwendig, um alle fünf Archetypen zu aktivieren.

Im Nachdenken darüber ist mir noch etwas klar geworden: je höher der positive Zinssatz für das Geld liegt, desto näher rückt das Geld an den Sex heran (wie die sexuelle Energie kann auch fiat money scheinbar aus dem Nichts heraus Neues erschaffen), und je niedriger der negative Zinssatz liegt, desto näher rückt das Geld an den Tod (deshalb ja auch sterbendes Geld). Bei einem Zinssatz von Null erfüllt das Geld also seine Funktion des Bewahrens von Energie am besten. Und da unser Geld jedenfalls bis vor kurzem mit einem mehr oder weniger hohen positiven Zinssatz versehen war, haben wir es über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende als Sexersatz benutzt.

Vom tantrischen Gesichtspunkt aus weise ich auch darauf hin, dass diese Tabus individuell und gesellschaftlich verborgen gehalten werden. Im Tantra spielt allerdings der Zeuge eine ganz entscheidende Rolle, denn sie oder er bezeugt das, was geschieht. So bezeugt die Zeugin im Vereinigungsritual die sexuelle Vereinigung, diese wird dadurch zu einem öffentlichen Ereignis. Genauso können wir nur wirklich frei sein, wenn Sex, Tod und Geld in unserem Leben öffentlich werden, also jemand anderes mein sexuelles Tun, mein Sterben und meine finanziellen Transaktionen bezeugt.

Ihr seht, da haben wir noch eine ganze Menge zu tun.

Übrigens schreibt auch Charles Eisenstein im Ausklang von Ökonomie der Verbundenheit:

In Kulturen des Schenkens werden Geschenke nicht gehortet, und das Geben gehört zum normalen gesellschaftlichen Umgang miteinander. Eine Folge daraus ist, dass Reichtum öffentlich bekannt und transparent ist. Jeder weiß, wer wem was gegeben hat, wer viel hat, wer hortet, und wer großzügig ist. Übersetzt in die moderne Gelddynamik legt das nahe, dass alle Geldbestände und Transaktionen öffentlich gemacht werden und transparent sein sollten. Mit dem Aufkommen des Geldes begann eine neue Art von Heimlichkeit den Reichtum zu infizieren, die zuvor unmöglich war. Seinen Reichtum in Form von Landbesitz oder Schafen und Rindern konnte man nicht verstecken, und sich daher auch nicht vor den damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen drücken. Geld hingegen kann man im Keller horten, in der Erde vergraben, auf Nummernkonten versteckt halten, geheim halten, privat halten. Um die negative Wirkung von Geld rückgängig zu machen, muss schließlich auch dieser Eigenschaft des Geldes ein Ende gesetzt werden.

Der Übergang vom physischen Bargeld zur elektronischen Währung macht das möglich, aber natürlich taucht dann auch das Schreckgespenst der totalitären Kontrolle auf. Wollen wir, dass die Regierung infolge der totalen Informationserfassung jede Transaktion überwachen kann? Vielleicht nicht – außer jede Staatsausgabe wird auch öffentlich einsehbar gemacht. Es wird nicht reichen, dass das Finanzgebaren mancher Menschen und Institutionen öffentlich ist, während andere Machenschaften geheim bleiben. Geld muss universell transparent sein.

Offensichtlich würde ein System, in welchem jede Transaktion und jeder Kontostand öffentlich eingesehen werden können, die Geschäftspraxis radikal ändern. Wenn Sie jemals im Geschäftsbereich tätig waren, stellen Sie sich vor, dass jeder Kunde, Zulieferer und Konkurrent Ihre wahren Kosten gekannt hätte! Dagegen fügt sich Transparenz in Geldsachen ganz natürlich in die vom Schenken inspirierten Geschäftsmodelle, die ich im 21. Kapitel untersucht habe. Diese erfordern, dass Sie Ihre Kosten ehrlich offenlegen und Ihre Kunden einladen, Ihnen darüber hinaus Geschenke zu machen. Es wäre nie wieder möglich, über die eigenen Kosten zu lügen, um davon zu profitieren, dass die andere Seite weniger weiß.

Die Leute von Fairmondo gehen da mit gutem Beispiel voran, denn sie bieten Online-Lesezugriff auf ihr Geschäfts- und auf ihr Einlagenkonto. Da kann auch ich mir noch eine Scheibe von abschneiden.

Übrigens: Verschwiegenheitsklauseln über die Höhe des Gehalts in Arbeitsverträgen sind in aller Regel unwirksam!

Nachtrag: Jetzt hab ich doch noch zwei Stellen aus der Ökonomie der Verbundenheit vergessen, die eine aus Kapitel 16:

Um unsere Bedürfnisse zu stillen, die nicht in Zahlen ausgedrückt werden können, brauchen wir einen Kreislauf, der nicht auf Geld beruht. Man kann dem Qualitativen nicht gerecht werden, wenn man versucht, es zählbar zu machen, wenn man das Unendliche durch das Endliche auszudrücken versucht. Der Tausch Schönheit für Geld, Intimität für Geld, Aufmerksamkeit für Geld riecht nach Prostitution. Wenn die Künstlerin die Kommerzwelt verachtet, dann ist das nicht nur ein Ausdruck von Selbstgefälligkeit, mit dem sie suggeriert, dass sie über all dem steht. Bei dem Versuch, Schönheit, Liebe, Wissen, Verbundenheit und so weiter mit Geld zu kaufen, wird sich entweder der Käufer eine Fälschung einhandeln, oder der Verkäufer verliert, weil er etwas unendlich Wertvolles für eine zählbare Summe hergegeben hat. Es ist ganz einfach, wie schon die Beatles sangen: “Money can’t buy you love”.

Und die zweite aus Kapitel 21 unter der Überschrift Heilige Berufe:

Das Schenken als Geschäftsmodell bietet sich ganz natürlich für Berufe an, in denen der aufgebrachte Wert etwas nicht Greifbares ist. Was Musiker, Künstler, Prostituierte, Heiler, Berater und Lehrer bereitstellen, sind Geschenke, die entwertet werden, wenn wir ihnen einen Preis beimessen. Wenn das, was wir anbieten, heilig für uns ist, dann ist der einzige ehrenhafte Weg, es als Geschenk darzureichen. Kein Preis kann hoch genug sein, um die Heiligkeit des Unzählbaren widerzuspiegeln.

Was Prostitution zur Prostitution macht, ist gerade die Kombination von Sex & Geld. Ursprünglich eine heilige Kombination, wie wir von Bernard Lietaer gelernt haben, heute beides tabuisiert. Insofern bin ich im Tantra-Institut genau richtig, um an diesen Tabus zu arbeiten.

Nachtrag vom 17.10.: Inzwischen hatte ich mein finanzielles Coming out.

Nachtrag vom 24.11.: Helmut Poller, den ich gerade entdeckt habe (siehe Essenz des Tantra), schreibt in seinem Artikel Tantra - Verwirrungen und Erleuchtungen über Tantramassagen:

Aber eines sollte sowohl den Anbieterinnen als auch den Konsumenten dieser Dienstleistungen klar sein: Sowohl die sexuellen Rituale des urprünglichen Tantra als auch die generelle Philosophie des Neo-Tantra streben ein ganzheitliches sexuelles Erleben an. Der Körper soll angenehme Erfahrungen machen können und sich ohne Beschränkungen natürlich in die Freude entspannen, der Geist soll gleichzeitig voller Liebe und Vertrauen sein, es soll eine Verschmelzung der Partner auf allen Ebenen stattfinden, idealerweise auch im Neo-Tantra mit einer spirituellen Komponente - der Verschmelzung zu einem Bewusstsein als Praxis religiöser Hingabe. Wie soll das möglich sein, wenn für dieses Ereignis bezahlt wird? Wie soll das möglich sein, wenn die sexuelle Energie wie auf einer Einbahnstraße nur von der Masseurin zum Massierten fließt? Ganz normale gute Erotik ohne Tantra beruht immer auf Geben und Nehmen der Liebenden, wie sollte es bei tantrischer Erotik, die ja eine höhere, bewusstere, geheiligte Form der Sexualität darstellen soll, anders sein? Es handelt sich in Wirklichkeit um eine Form abgetrennter Sexualität, der Körper des Massierten ist getrennt von seinem innersten Wesen, die beiden Beteiligten bleiben getrennt aufgrund von vorheriger Übereinkunft.

Es gilt dabei auch zu bedenken, dass Geld eine Form von Magie ausübt, die in unserem heutigen Geldsystem der tantrischen Praxis völlig entgegenwirkt – nämlich eine trennende Magie im Gegensatz zur (Alles!) vereinigenden Magie des Tantra.