Die Corona-Proteste um die Commons-Perspektive ergänzen

Das Buch Die Welt wieder verzaubern. Feminismus, Marxismus & Commons von Silvia Federici inspiriert mich gerade dazu, meinen Beitrag über Die Einhegung der Allmende auf Steroiden durch die Corona-Maßnahmen mit den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zusammenzubringen.

Denn das ist eine Perspektive, die ich dort neben der linken ganz besonders schmerzlich vermisse.

In meinem Beitrag zur Demo am 1. August hatte ich ja geschrieben

Allerdings habe ich den Eindruck, dass da morgen im Wesentlichen zwei verfeindete Fraktionen des Weiter so wie bisher aufeinander prallen werden, die die Lage völlig unterschiedlich einschätzen.

sowie

Diese Freiheit ist aber auch die Freiheit unseres kapitalistischen Ausbeutungssystems, fröhlich weiter Menschen und alle anderen Wesen auf der Erde sowie die Erde selber auszubeuten bis es kracht.

Andererseits verhindern gerade die autoritären Maßnahmen, Widerstand gegen diese Einhegung und Ausbeutung zu organisieren. Lockdown bedeutet letztlich nichts anderes, als dass der Staat den Menschen das Gemeinschaffen verbietet. Denn dazu müssen wir uns treffen, uns körperlich nahe sein, gemeinsam bereden, was wir wie zusammen tun wollen, und es dann auch zusammen tun. Genau das erschweren bis verhindern die Staaten aber weltweit in unterschiedlichem Ausmaß. Make every home a prison today.

Insofern weist das Plakat mit dem Spruch Von der Distanz zur Verbundenheit in die richtige Richtung. Es braucht noch viel mehr Solidarität mit den Verliererinnen der Corona-Krise, und zwar praktische Solidarität. Die haben wir hier im Herzen des Kapitalismus leider weitgehend verlernt und müssen sie erst wieder mühsam einüben. Da schließe ich mich explizit mit ein.

Und diese Solidarität schließt uns selber natürlich mit ein, denn es geht um nicht weniger als ein gutes Leben für alle. Die ganze Bäckerei. Silvia Federici schreibt

Können wir uns vorstellen, unser Leben anders zu gestalten, indem wir unsere Beziehungen zu anderen gemeinschaftlich leben und dabei Tiere, das Wasser, die Pflanzen und Berge miteinbeziehen, die von den gigantesken Robotern bestimmt zerstört würden? Das ist der Horizont, den der Diskurs und die Politik der Commons uns heute eröffnen, und nicht das Versprechen einer ohnehin unmöglichen Reise in die Vergangenheit, sondern die Möglichkeit, die kollektive Entscheidungsgewalt über unser Schicksal auf diesem Plateten wiederzugewinnen. Das ist, was ich unter Wiederverzauberung der Welt verstehe.

Daher passt unter diesen Beitrag das Lied von Rainer von Vielen

– mit der Einschränkung, dass die Commons uns nicht gehören; sondern wir eignen uns ihnen zu.

Bei einer Demo gegen autoritäre Corona-Maßnahmen, für selbst organisiertes Gemeinschaffen jenseits von Markt und Staat würde ich sofort mit auf die Straße gehen. In der Zwischenzeit lasst uns Freiräume für Commoning erkämpfen und ausbauen.

Nachtrag vom 18.11.: Sehr wichtiger Vortrag von Daniele Ganser über die verschiedenen Arten von Corona-Angst; bei mir überwiegt bisher die Diktatur-Angst. Besser ist es in jedem Fall, sich nicht von Angst welcher Art auch immer leiten zu lassen.

Nachtrag vom 14.01.2021: Nach langer Pause lese ich gerade in Miki Kashtans Artikelreihe Apart and Together weiter. Im Teil Reengaging with the Full Range of Our Emotions schreibt sie

This, then, is how we came into the pandemic: isolated, stressed, and powerless. Already in epidemic levels of anxiety, depression, and suicide. Many more of us than ever before living alone, separate from others, passively watching events and stories happening elsewhere. Then, in much of the world, the response to the Coronavirus has only intensified both the stressors and the isolation. As with so much else I have explored, this makes more visible and stark the conditions that have already been unsustainable for human life. We are social creatures, requiring touch and communion to thrive. In most of our time on this planet, we lived in small bands, moving around together. Even after settling down, we still mostly lived in small communities where we knew everyone, and where we leaned on each other for material, emotional, and spiritual needs. We are made weaker, less able to meet the challenges of life, and less capable of wisdom, when we are separated from each other.